Der "Geist" im Posteingang
Ein investigativer Bericht über Macht, Kontrolle und das Schweigen der Justiz.
Von Maris Lichtenstein
I. Die Schatten beginnen mit einer E-Mail
Berlin, ein kühler Oktoberabend.
Der Posteingang blinkt. Eine neue E-Mail.
Absender: anonym.
Betreff: „Bitte sei vorsichtig.“
„Hallo Sven,
ich schreibe diese Nachricht anonym. Ich fürchte, es gibt Menschen, die dir etwas antun wollen …“
Die Nachricht wirkt wie aus einem schlechten Film – wäre da nicht das Foto.
Ein Waldweg, unscheinbar, herbstlich. Aufgenommen aus der Ferne.
Eine Person, klein, kaum zu erkennen, läuft den Weg entlang.
Die Aufnahme zeigt ihn. Sven Appelt.
Seit diesem Moment beginnt eine Chronik der Einschüchterung –
eine Geschichte aus anonymen Warnungen, aus Protokollen, aus stiller Angst.
Die Zeilen kommen von einem Mann, der sich R.R. nennt.
Später wird er „Der Geist“ genannt.
Ein selbsternannter Helfer, der schreibt, er wolle „nur warnen“.
Er kenne „die Jungs“, die geschickt worden seien.
„Pass auf dich auf“, endet die Nachricht.
Dann Stille.
Tage zuvor lag ein Bericht einer Detektei auf dem Tisch.
„Beobachtungsbericht, 27. Juni 2025.“
Er listet minutiös auf, wann Sven Appelt das Haus verlässt,
wann er mit seinem Hund geht, welche Farbe die Leine hat,
wann er die Tasche in der linken Hand trägt.
Das Protokoll endet um 18:30 Uhr mit dem Satz:
„Die Maßnahmen wurden vor Ort beendet.“
Wie ein Krimi – nur dass der Hauptdarsteller kein Täter,
sondern das Ziel ist.
Beeindruckend, oder vielleicht eher bezeichnend, ist:
Es ist nicht das erste Mal.
Bereits in einem früheren Verfahren – damals ging es um Appelts Scheidung –
war eine Detektei eingesetzt worden.
Auch sie hatte ihn angeblich „beobachtet“, Fotos eingereicht, Berichte verfasst.
Und auch dort stellte sich später heraus,
dass die Angaben nicht stimmten: Beobachtungen,
die an Orten dokumentiert wurden, an denen Appelt nachweislich gar nicht war.
„Es ist, als würden manche Detekteien das schreiben,
was ihre Auftraggeber gern lesen möchten – und nicht, was tatsächlich passiert ist“,
sagt Appelt.
Dieser neue Bericht wirkt wie ein Déjà-vu:
Wieder dieselbe Routine, wieder dieselbe Handschrift.
Ein weiterer Versuch, ein Narrativ zu konstruieren,
das sich später juristisch verwerten lässt.
Die Frage, die bleibt:
Warum verlassen sich Gerichte in Deutschland immer wieder auf Berichte,
die sich schon im ersten Lesen wie Fiktion anfühlen?
Denn wenn eine Detektei erkennbar falsch berichtet – und das nachweislich –
sollte sie nicht mehr als Beweismittel zugelassen werden,
sondern selbst Gegenstand eines Verfahrens sein.
In Deutschland aber passiert das Gegenteil:
Man zitiert solche Berichte, als wären sie sakrosankt.
Und wer sie anzweifelt, gilt als Querulant.
In dieser Geschichte ist derjenige, der sich verteidigt, längst zur Zielscheibe geworden.
Und die Schatten, die ihm folgen, tragen diesmal keine Kapuzen,
sondern Roben.
II. Der Widerspruch als Berufsethos
Johannes Eisenberg – der große Moralist der Berliner Justizszene.
Der Mann, der jahrelang über Willkür wetterte,
über Polizeigewalt, über den „schleichenden Zerfall des Rechtsstaats“.
Der Anwalt, der es liebte, sich als Freiheitskämpfer in Robe zu inszenieren.
„Ich habe das rechtsbeugerisch genannt“,
sagte er einst über Ermittler, die Beweise erzwingen wollten.
„Rechtsstaat vor Phobie“, wetterte er gegen die Polizei.
Doch was Eisenberg damals den Behörden vorwarf,
praktiziert heute seine eigene Kanzlei – mit Perfektion und ohne jede Scham.
Denn während Eisenberg öffentlich gegen „staatliche Paranoia“ polemisierte,
ließ seine Kanzlei privat Menschen überwachen.
Während er über die Gefahren unrechtmäßiger Ermittlungen sprach,
führte Kai Elmer Kempgens, sein Nachfolger und Zögling, Verfahren,
die auf gefälschten E-Mails, manipulierten IP-Adressen
und bewusst falschen Zustellinformationen beruhen.
Im Fall Sven Appelt legte die Kanzlei EKSK vor Gericht Schriftstücke vor,
die sie als „Originale“ bezeichnete –
obwohl die angeblichen Absenderdaten längst als Fälschungen enttarnt waren.
Man nannte E-Mails, die nie geschrieben wurden.
Man erfand IP-Adressen.
Man ließ Beschlüsse an fremde Adressen schicken –
und erklärte dann das Ausbleiben der Gegenseite zum „schweigenden Schuldeingeständnis“.
Das ist keine juristische Raffinesse.
Das ist Manipulation in Robe.
Der Antragsteller – also die Kanzlei EKSK – wusste genau,
dass der Beschluss nie beim Antragsgegner ankommen würde.
Man verschickte ihn „wahllos durch die Republik“, wie Appelt sagt,
„um das Gericht zu täuschen und den Anschein zu erwecken,
ich würde mich der Bestrafung entziehen – das Lieblingswort des Antragstellers.“
Und als wäre das nicht grotesk genug,
tritt auf der Bühne der Berliner Justiz noch eine weitere Figur auf:
Staatsanwältin Akgüc.
Eine Frau, die eigentlich Hüterin der Neutralität sein sollte,
die aber seit über einem Jahr durch ihr Handeln das Gegenteil beweist.
Statt die Wahrheit zu suchen, sucht sie Narrative.
Statt Beweise zu prüfen, sucht sie Schlagzeilen.
Akgüc ist – so beschreibt es Appelt –
die Personifizierung eines strukturellen Problems:
Überforderung, ideologische Befangenheit
und der Wunsch, aus jedem Verfahren eine moralische Bühne zu machen.
Während die Akten unberührt liegen,
arbeitet sie mit dem Lieblingswerkzeug jener,
die keine Argumente haben: der Rassismuskeule.
„Frau Akgüc wollte mich als den weißen Täter darstellen“, sagt Appelt.
„Den, der das Leben einer Migrantin zerstört. Es passte zu gut ins Schema, um wahr zu sein.“
Doch die Wahrheit ist unbequem:
Die angeblich „schutzbedürftige“ Migrantin,
die Frau Akgüc als Opfer inszenierte,
war längst überführt, selbst Straftaten begangen zu haben –
von Diebstahl bis Erpressung.
Und trotzdem:
Die Staatsanwältin hielt an ihrer Fiktion fest,
als hinge ihr Ruf an der Lüge.
Akgüc, Eisenberg, Kempgens – sie stehen für drei Ebenen
eines identischen Versagens:
die moralische Arroganz der Justiz,
die ideologische Blindheit der Staatsanwaltschaft
und die Gier nach Kontrolle durch jene,
die das Gesetz längst als Waffe missbrauchen.
Was Eisenberg einst über den Staat sagte,
gilt heute für die, die sich als seine Korrektur verstehen wollten.
„Ich habe das rechtsbeugerisch genannt“,
sagte Eisenberg einst über andere.
Heute könnte man es über ihn selbst sagen.
III. Die Farce des Rechts – und die Müdigkeit der Moral
„Für mich ist das keine Justiz mehr. Das ist Theater – mit echten Opfern.“
– Sven Appelt
Manchmal erinnert die deutsche Justiz an ein altes Uhrwerk,
das weiter tickt, obwohl längst kein Zahnrad mehr greift.
Alles läuft, alles wirkt geordnet –
und doch weiß jeder: Es funktioniert nur noch aus Gewohnheit.
In diesem System ist Moral ein Störgeräusch.
Und Wahrheit – eine Unannehmlichkeit.
Für Sven Appelt ist dieser Kampf längst mehr als ein Verfahren.
Er ist das Symptom einer Justiz,
die sich in ihrer eigenen Bequemlichkeit eingerichtet hat.
Einer Justiz, die wegsieht, wenn Anwälte Gesetze biegen wie Draht,
und schweigt, wenn Unschuldige vor Gericht zu Tätern erklärt werden.
„Was mich müde macht, ist nicht der Streit“, sagt Appelt.
„Was mich müde macht, ist die Heuchelei.“
Denn während Richter noch an ihre Neutralität glauben,
und Staatsanwälte ihre Überlastung wie eine Ehrenmedaille tragen,
haben sich Anwälte wie Johannes Eisenberg
und Kai Elmer Kempgens längst zu Richtern über andere gemacht.
Nicht über Recht, sondern über Wahrheit.
Der eine, Eisenberg, spricht gern von „Missbrauch durch den Staat“.
Der andere, Kempgens, praktiziert ihn im Namen des Rechts.
Beide leben von einer Justiz, die müde ist –
und von einer Öffentlichkeit, die vergessen hat,
was Gerechtigkeit eigentlich bedeuten sollte.
Was hier in Berlin passiert, ist mehr als nur ein Fall.
Es ist ein Spiegel.
Ein Spiegel einer Gesellschaft,
in der man Paragraphen zitiert, um Moral zu vermeiden.
In der die Falschen geschützt werden,
solange sie genug Geld für eine Kanzlei haben.
Und in der Wahrheit nur zählt,
wenn sie sich in die Sprache des Gesetzes übersetzen lässt.
„Man will mir den Mund verbieten“, sagt Appelt.
„Aber ich rede, weil Schweigen Mittäterschaft wäre.“
Es sind Sätze wie dieser,
die an etwas erinnern, das in diesem Land fast vergessen scheint:
An Zivilcourage.
An Rückgrat.
An den Mut, sich nicht kaufen zu lassen.
Und so wird der Fall Appelt zu einer Metapher
für den Zustand eines Landes,
das sich selbst gern als Rechtsstaat feiert –
aber längst in der Bürokratie seiner eigenen Angst erstickt.
Vielleicht ist das das eigentliche Drama unserer Zeit:
Nicht die Schuld der Täter.
Sondern das Schweigen derer,
die sich noch für gerecht halten.